
T3CON24 Recap - Nachhaltige Governance und die Zukunft der Nachhaltigkeitskommunikation
Einführung
Die Nachhaltigkeit von Unternehmen hat sich weit über die optionale soziale Verantwortung von Unternehmen hinaus zu einer zentralen strategischen Überlegung entwickelt - und wird zunehmend auch von den Behörden gefordert. Auf der T3CON24 hielten die Expertinnen Patricia Moock und Anja Schröder von 4L Impact Strategies einen spannenden Vortrag zum Thema " Navigating Sustainable Governance and the Future of Sustainability Communication". Moock und Schröder stellten fünf Thesen vor, wie sich die Nachhaltigkeitskommunikation als Reaktion auf ein immer strengeres regulatorisches Umfeld in Zukunft verändern wird.
Nachhaltige Governance verstehen
Patricia Moock begann mit einer Definition von nachhaltiger Unternehmensführung: "Bei der nachhaltigen Unternehmensführung geht es um eine ganzheitliche, integrierte Führung, Verwaltung und Überwachung, die dem Gemeinwohl dient, die Umwelt respektiert und Ihr Unternehmen langfristig produktiv und wirkungsvoll hält", erklärte sie.
Sie identifizierte drei entscheidende Botschaften innerhalb dieser Definition:
- Nachhaltigkeit muss in den strategischen Kern integriert werden und darf nicht als isolierte Initiative behandelt werden.
- Geschäftsentscheidungen sollten zukünftige Generationen berücksichtigen.
- Nachhaltige Unternehmensführung verbindet wirtschaftliche Rentabilität mit langfristiger Verantwortung, die sich über mehr als nur eine Generation erstreckt.
Moock kontrastierte dies mit der Realität in vielen Unternehmen, in denen Nachhaltigkeitsinitiativen in Silos ohne angemessene Integration existieren. "Deshalb brauchen wir eine starke Nachhaltigkeits-Governance, die sich im Wesentlichen auf Strukturen, Prozesse, Führung, gutes Monitoring und gute Steuerung konzentriert", betonte sie.
Im Kern dieser Strukturen spielt die Kommunikation eine entscheidende Rolle. Anja Schröder stellte fünf Thesen auf, wie sich die Nachhaltigkeitskommunikation in naher Zukunft entwickeln wird.
These 1: Vorschriften werden die Nachhaltigkeitskommunikation zunehmend verändern
Anja Schröder veranschaulichte die zunehmende Regulierung der Nachhaltigkeitskommunikation mit einem überzeugenden Beispiel: "Die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa wurde von der britischen Werbeaufsichtsbehörde zurechtgewiesen, weil sie gewissermaßen behauptete, dass Fliegen gar nicht so schlecht für den Planeten ist." Obwohl die Lufthansa argumentierte, dass es sich lediglich um eine Metapher handelte, entschied die Advertising Standards Authority (ASA), dass "man sehr klar sagen muss, was man sagt."
Der Fall Lufthansa ist ein Beispiel für das allgemeine Problem des Greenwashings. Eine EU-Untersuchung hat in der Tat ein beunruhigendes Bild ergeben: Mehr als 50 % der grünen Behauptungen sind falsch und sollen die Kunden in die Irre führen. Dies hat zu entscheidenden regulatorischen Maßnahmen geführt.
Mehrere wichtige Vorschriften gestalten die Nachhaltigkeitskommunikation neu. Das seit langem bestehende deutsche Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und die europäische Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) bieten einen grundlegenden Rahmen. Eine wirklich bahnbrechende Verordnung wird jedoch im September 2026 in Kraft treten: die Richtlinie Empowering Consumers for the Green Transition (EmpCo).

Unter EmpCo "ist es verboten, wenn Sie nur sagen: 'Wir sind nachhaltig'. Wenn Sie nur sagen: 'Wir sind grün', ist das verboten", warnte Schröder. Begriffe wie "klimaneutral", "umweltfreundlich" und "klimapositiv" werden ohne wissenschaftlichen Nachweis ausdrücklich verboten.
Die bevorstehende Richtlinie über umweltfreundliche Werbeaussagen stellt eine noch bedeutendere Veränderung dar. Während die derzeitigen Vorschriften es zulassen, dass Behauptungen auf den Markt kommen, bis sie angefochten werden, will die Green-Claims-Richtlinie Verbrauchern und Unternehmen die Möglichkeit geben, zu bestätigen, dass ihre grüne Behauptung gesetzeskonform ist, bevor sie die Behauptung überhaupt auf den Markt bringen", erklärte Schröder.
Um die Einhaltung der Nachhaltigkeitsbestimmungen zu gewährleisten, sollten die Unternehmen einen vierstufigen Prozess befolgen:
- Prüfen Sie die Wesentlichkeit der Angaben (wesentliche Aspekte des Angebots werden angesprochen).
- Gewährleistung der Vollständigkeit (Abdeckung ganzer Produkte und nicht nur ausgewählter Aspekte).
- Bereitstellung einer wissenschaftlichen Grundlage.
- Einholung einer Überprüfung durch Dritte.
These 2: Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit wird unerlässlich
Vorbei sind die Zeiten, in denen Marketingentscheidungen im Alleingang getroffen wurden. Ein erweitertes Team ist unverzichtbar, denn Marketingfachleuten fehlt es oft an Fachwissen zu komplexen Nachhaltigkeitsthemen.
Selbst auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Marken können unwissentlich Greenwashing betreiben. Schröder erzählte eine warnende Geschichte über GOT BAG, "eine sehr berühmte nachhaltige Marke", die mit Gegenreaktionen konfrontiert wurde, als die Marketingaussagen nicht mit der Realität übereinstimmten. "Der Marketingverantwortliche kannte nicht die wissenschaftlichen Daten darüber, wie viel recyceltes Plastik in der Tasche war", was dazu führte, dass behauptet wurde, die Tasche bestehe vollständig aus Plastik, das aus dem Meer gewonnen wurde, und nicht nur zu 59 %.
"In der Welt der grünen Behauptungen sitzt auch das Rechtsteam mit am Tisch, denn die Kommunikation ist reguliert, und der Nachhaltigkeitsexperte des Unternehmens sitzt mit am Tisch", erklärte Schröder.
Der Umgang mit diesen vielen Stimmen erfordert neue Prozesse. Schröder empfahl: "Vielleicht sollten Sie anfangen, über RACI-Diagramme nachzudenken, um alle Stimmen im Raum zu verwalten. Und stellen Sie sicher, dass, bevor Sie etwas auf die Website stellen, jeder den Inhalt überprüft hat und sich bewusst war, dass etwas Neues auf der Website erscheint."
These 3: Agenturen brauchen Nachhaltigkeitskompetenz im eigenen Haus
"Agenturen, die Kunden beraten, werden in Zukunft internes Fachwissen über Nachhaltigkeit benötigen", so Schröder. Der Grund dafür liegt auf der Hand: "Beratung bedeutet, dass man sicher und überzeugt ist, dass das, was man liefert, sich korrekt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegt."
Eine besondere Herausforderung ist es, die Terminologie der Nachhaltigkeit zu verstehen. Schröder veranschaulichte dies, indem er die Zuhörer nach der deutschen Redewendung "Milch von freilaufenden Kühen" fragte, die viele fälschlicherweise als Hinweis auf frei laufende Kühe auf den Feldern interpretierten. In Wirklichkeit bedeutet es nur "frei im Stall" - eine sehr viel eingeschränktere Form der Freiheit.
"Entweder muss die Agentur das Fachwissen über grüne Claims haben oder das Unternehmen hat es", so Schröder abschließend. "Wenn man in die Beratung gehen will und wenn man das Geld wert sein will, das man bezahlt bekommt, brauchen die Agenturen Nachhaltigkeitsexpertise."

These 4: Werbung braucht klare Wege zur Information - überall
Neue Vorschriften verpflichten die Unternehmen, Informationen zur Nachhaltigkeit überall dort zugänglich zu machen, wo ihre Produkte oder Dienstleistungen angeboten werden. Schröder betonte eine kritische Anforderung: "Wenn Sie behaupten wollen: 'Mein Produkt ist klimaneutral', dann können Sie das immer noch behaupten, wenn Sie einen wissenschaftlich fundierten Nachweis haben - aber dann bekommen Sie Probleme, wenn Sie nur ein winziges Produkt haben oder nur ein Bild von Ihrem Produkt auf Ihrer Website, und die Nachhaltigkeitsinformationen werden nicht angesprochen."
Die Lösung? Klare Wege zu Nachhaltigkeitsinformationen an jedem Kontaktpunkt. Schröder wies auf einen innovativen Ansatz eines Hamburger Start-ups hin, das QR-Codes auf Verpackungen einsetzt: "Mit dem QR-Code gelangen Sie auf eine Seite, auf der Sie alle gesetzlich vorgeschriebenen Informationen erhalten, und wir geben Ihnen noch mehr Informationen, wenn Sie daran interessiert sind."
Für Unternehmen mit einem umfangreichen digitalen Fußabdruck wird es eine große Herausforderung sein, alle potenziellen Verstöße gegen Umweltauflagen aufzuspüren. Künstliche Intelligenz bietet eine mögliche Lösung: "Wenn Sie Websites mit 1500, 2000 oder 3000 Seiten haben und die neue Regelung in Kraft tritt, wie können Sie dann sicher sein, dass Sie auf Ihren Websites keine grünen Angaben haben, die gegen die Vorschriften verstoßen? KI könnte Ihnen helfen, solche Inhalte zu finden", schlug Schröder vor.
These 5: Daten treiben Nachhaltigkeitskommunikation mit Substanz
Die Zukunft der Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen wird sich auf solide Daten stützen. "Daten, Daten, Daten sind der Motor der Nachhaltigkeit", sagte Schröder und stellte fest, dass "die Unternehmen schnell dazu übergehen, ihre Aussagen, ihre Produktion und ihre Lieferketten transparent zu machen."
Dies stellt jedoch eine entscheidende technische Herausforderung für Kommunikationsfachleute dar. Schroeder wies darauf hin: "Unternehmen werden viel mehr Daten generieren, die sie für die Kommunikation nutzen wollen und müssen." Nach der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) müssen Unternehmen möglicherweise 1200 mögliche Datenpunkte" im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit melden.
Infolgedessen werden die Unternehmen Berge von Daten erzeugen. Einerseits wird dies ein unschätzbarer Vorteil für die Kommunikationsteams sein, da in diesen Daten "der wissenschaftliche Beweis für gute Kommunikation und gute Nachhaltigkeitskommunikation bereits enthalten ist." Gleichzeitig müssen die Daten aber auch entsprechend gesichtet werden. Schröder fragte: "Wie kommen die Informationen aus dem Datensee auf die Titelseite Ihrer Website?"
Die Chance hinter der Herausforderung
In der Fragerunde äußerte ein Teilnehmer Bedenken hinsichtlich der Belastung durch Nachhaltigkeitsvorschriften und merkte an, dass viele CEOs diese als übertrieben und unnötig ansehen. Patricia Moock konterte mit einer strategischen Perspektive: "Es gibt enorme Möglichkeiten für die Umsetzung von Nachhaltigkeit aus strategischer Sicht. Es ist von großem Nutzen für das Risikomanagement, den Zugang zu Druckkapital und bietet ein großes Innovationspotenzial für die Produktentwicklung."
Anja Schröder fügte eine pragmatische Sichtweise auf Vorschriften wie die CSRD hinzu: "Die CSRD zwingt Sie, sich der Risiken bewusst zu werden, denen Ihr Geschäftsmodell aufgrund des Klimawandels ausgesetzt ist, und zwingt Sie dazu, Ihre negativen Auswirkungen auf die natürlichen Ressourcen genau unter die Lupe zu nehmen." Sie merkte an: "Sie werden Ihr Geschäftsmodell ändern, weil der Planet bereits zurückschlägt, also werden Sie es ändern müssen. Und es ist besser zu wissen, was man ändern muss, als nicht zu wissen, was man ändern soll".
Während sich Unternehmen auf eine Zukunft vorbereiten, in der die Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen zunehmend reguliert wird, bieten die von Moock und Schröder vorgestellten Thesen wertvolle Anhaltspunkte. Von der Integration der Nachhaltigkeits-Governance in den Kern des Geschäftsbetriebs über den Aufbau abteilungsübergreifender Teams bis hin zur Einführung datengestützter Kommunikationsstrategien - Unternehmen, die sich proaktiv anpassen, werden die Herausforderungen der Compliance in strategische Chancen verwandeln.